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AutorenbildStefan

Was passiert eigentlich bei einer Therapie?

Aktualisiert: 18. Aug. 2020


Wer das erste Mal überlegt, Kontakt mit einer Praxis für Psychotherapie aufzunehmen, hat normalerweise schon eine Reihe von Bildern im Kopf.


Wer zum Therapeuten geht ist verrückt, beim Therapeuten muss man sich auf die Couch legen, der Therapeut quetscht einen aus und man muss viel über seine Mutter reden. Für diejenigen, die zu viel „Schweigen der Lämmer“ oder die Serie „Hannibal“ gesehen haben, könnte noch die Furcht dazu kommen, am Ende aufgegessen zu werden. Der Therapeut ist für gewöhnlich ein älterer, bärtiger, Pfeife rauchender Mann mit Strickjacke, der ein Klemmbrett in der Hand hält. Außerdem braucht man allein schon für die Frage nach einem Termin eine gut gefüllte Brieftasche.


Ok, nehmen wir uns diese Bilder einmal der Reihe nach vor und überprüfen sie auf ihren Wahrheitsgehalt:


Wer zum Therapeuten geht ist verrückt.


Dieser Satz ist eine Zuspitzung, die daher nicht richtig ist. „Verrückt“ ist sowieso ein beleidigender Kampfbegriff, den ich deswegen – außer in diesem Text – für gewöhnlich nicht verwende. Ich würde stattdessen sagen: Wer zum Therapeuten geht hat ein Problem, er hat eingesehen, dass er ein Problem hat, und er nimmt sein Leben aktiv in die Hand, um das Problem oder seine Einstellung zum Problem in den Griff zu bekommen. Das ist genauso, wie Sie einen Klempner anrufen würden, wenn aufgrund eines Rohrbruchs der Keller unter Wasser steht. Es gibt ein Problem, und es gibt einen Fachmann, und es gibt eine Lösung.


Beim Therapeuten muss man sich auf die Couch legen.


Das Klischeeobjekt schlechthin für Therapeuten ist die Couch. Das geht zurück auf die Couch von Sigmund Freud, die man im Museum in London sehen kann. Nun, Freud ist seit 80 Jahren tot und sowohl Therapiegeschichte als auch Möbeldesign haben seitdem einige Fortschritte gemacht. Ich gebe zu, dass ich auch in meinen Praxisräumlichkeiten eine Couch habe. Dennoch kann ich jedem nur dringend davon abraten, sich darauf legen zu wollen. Sitzen ist ok, doch wer sich bei mir auf die Couch legt kann direkt einen Wechsel von der Psychotherapie hin zur Physiotherapie vollziehen. Ich habe es einmal experimentell versucht und es hat meinem Rücken nicht gut getan.


Der Therapeut quetscht mich aus und ich muss viel über meine Mutter reden.


Auch das ist wieder ein Klischee und als solches falsch. Ausquetschen ist etwas, was ich nur bei Tuben mache. Natürlich ist es ein großer und wichtiger Teil der Therapie, über Dinge zu reden. Manchen Problemen kann man sich nur sprechend nähern. Und manchmal frage ich auch nach. Wenn ich dabei etwas ansprechen sollte, über das Sie nicht reden wollen, lassen Sie es einfach. Insbesondere wenn Sie nicht über Ihre Mutter reden wollen ist das ok. Vielleicht rede ich mal über meine, aber das hat organisatorische Gründe.


„Einer dieser Meinungsforscher wollte mich testen. Ich genoss seine Leber mit ein paar Fava-Bohnen, dazu einen ausgezeichneten Chianti.“


Dieses Zitat aus „Das Schweigen der Lämmer“ gehört auch zu den allgegenwärtigen Therapeutenklischees. In dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen: So wie die meisten meiner Standeskollegen bin auch ich kein Kannibale. In unserem Haus gibt es außerdem die Regel: Mitbewohner werden nicht gegessen. Das erstreckt sich auch auf Klienten. Des Weiteren mag ich keine Leber, bin gegen Bohnen allergisch und trinke auch kaum Alkohol.


Der Therapeut ist ein älterer, bärtiger, Pfeife rauchender Mann mit Strickjacke und Klemmbrett.


Ok, jetzt haben sie mich. Älterer, bärtiger Mann trifft zu, die Pfeife liegt in der Vergangenheit, Strickjacke trage ich schon mal im Winter, sonst sind es eher Sweatshirt-Jacken und T-Shirts, und Klemmbretter haben sich einfach als praktisch erwiesen.


Ich brauche allein für die Frage nach einem Termin eine gut gefüllte Brieftasche.


Fragen kostet nichts! Bei mir ist auch grundsätzlich das Infogespräch kostenlos. Wenn es dann zu einer Terminvereinbarung kommt, entstehen natürlich Kosten, das ist genauso wie beim Klempner.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein paar nützliche Informationen mitgeben und das eine oder andere Vorurteil beseitigen.


Nachtrag:

Wir haben das Thema jetzt auch im Podcast besprochen, wer mal reinhören möchte kann das hier tun.


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